Sechs Brüder, eine Geschichte. Sechs Männer, die eine Legende schufen. Es war im Frühling 1911 als die Witwe Teresa Benelli die ganzen Ersparnisse ihrer Familie investierte, um eine Werkstatt einzurichten, die die Zukunft ihrer Söhne Giuseppe, Giovanni, Filippo, Francesco, Domenico und Antonio "Tonino" Benelli sichern sollte.
Am Anfang stand eine Reparaturwerkstatt, die auch Ersatzteile für Autos und Motorräder herstellte. Aber die sechs Benelli-Brüder hatten viel höhere Ziele: Motorräder bauen. Acht Jahre später, 1919, war der erste Motor fertig, ein Zweitakt-Motor mit 75 cm³, der in einen Fahrradrahmen eingebaut wurde und leider keine zufriedenstellenden Ergebnisse lieferte.
Im Dezember 1921 erschien das erste richtige Benelli-Motorrad: das "Velomotore", ein leichtgewichtiges "Touring"-Motorrad mit 98 cm³-Zweitaktmotor, von dem es auch ein Sport-Version mit 125 cm³ gab. 1923 folgte eine 147 cm³-Version, mit der Tonino Benelli eine Siegesserie im Rennsport startete und das Unternehmen aus Pesaro europaweit bekannt machte.
1926 designte Giuseppe Benelli ein neues Motorrad mit 175 cm³-Viertaktmotor, obenliegender Nockenwelle, angetrieben über eines Vierganggetriebe und mit Leistungswerten wie wesentlich hubraumstärkere Modelle. Dieses Motorrad hat zu unzähligen Motorsporttriumphen seines Bruders Tonino geführt, unter anderem wurde er 1927, 1928, 1930 und 1931 italienischer Meister. Die Produktion wird gesteigert und die Verkaufserfolge führen zu einer Erweiterung der Fabrik. 1932 kaufen die Benelli-Brüder die Gebäude der Sägemühle Molaronoi in der "Viale Principe Amadeo", die später in "Viale Mameli" umbenannt wurde.
1934 führt Benelli zwei neue Rennmotorräder ein: ein 250 cm³-Modell mit doppelter Nockenwelle und ein 500 cm³-Modell. 1940 bringt Benelli ein 500 cm³-Modell mit Seitenventilen und ein fantastisches Rennmotorrad (ein Vierzylinder mit doppelter obenliegender Nockenwelle und Kompressor, der jedoch nie auf der Rennstrecke verwendet werden sollte), aber der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zwang Benelli, nur noch Militärmotorräder herzustellen.
Das Unternehmen war auf dem Gipfel des Erfolgs, 800 Mitarbeiter arbeiteten in der Fabrik, aber der Zweite Weltkrieg beendete den Höhenflug. Nach den Bombardements durch die Alliierten und den Plünderungen durch die Nazis wurde das Unternehmen auf einen Haufen Schutt und ein paar leere Schuppen reduziert.
Die Benelli-Brüder verloren aber nicht den Mut. Sobald sie wieder über Werkzeug und Maschinen verfügten, starteten sie damit, rund 1.000 auf den Schlachtfeldern zurückgelassene Militärmotorräder - zumeist aus britischer Produktion - zu restaurieren und für den Zivilgebrauch tauglich zu machen. Schon 1947 begann man wieder mit Rennsportaktivitäten.
1948 folgte ein wichtiger Meilenstein: das Unternehmen engagierte den Rennfahrer Dario Ambrosini und am 14. Oktober verkündeten die Benelli-Brüder, dass das Unternehmen wieder Motorräder produzieren werde. Die sportlichen Erfolge fanden mit Abrosinis Weltmeistertitel in der 250er-Klasse im Jahr 1950 ihren Höhepunkt.
Ende der 1940er-Jahre kam es zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen Giuseppe Benelli und seinen Brüdern. Giuseppe verließ das Unternehmen und gründete Motobi, bekannt für die klassischen eiförmigen 2- und 4-Takt-Motoren kleinerer und mittlerer Hubraumklassen. Über 1.000 Rennsiege in den 1950er- und 60er-Jahren folgten.
Benelli präsentierte 1951 die "Leoncino", die ein großer kommerzieller Erfolg wurde. 1953 gewann Leopoldo Tartarini auf einer Benelli den ersten "Motogiro d'Italia".
1961 feierte das Unternehmen den 50. Geburtstag und ein Jahr später schlossen sich Benelli und Motobi zusammen. Es war damals die heroische Zeit der Rennfahrer Tarquinio Provini und Renzo Pasolini, der 250 cm³-Vierzylinder und des zweiten Weltmeistertitels für Benelli, errungen 1969 durch den Australier Kelvin Carruthers.
Eine große Modellpalette kennzeichnete Benelli-Motobi in den 1960er-Jahren: von den Motorrollern bis zur "Tornado", einem "Maxibike" mit 650 cm³-Zweizylindermotor, dem letzten Modell, das noch unter der Leitung der Familie Benelli entwickelt wurde. 1971 kaufte der argentinische Unternehmer Alejandro De Tomaso das Unternehmen. Der neue Eigentümer erweiterete die Modellpalette mit Mehrzylinder-Modellen, darunter die prestigeträchtige "750 Sei" mit 6-Zylinder-Motor - das erste 6-Zylinder-Motorrad, das in Serie produziert wurde. De Tomaso errichtete auch eine neue, moderne Fabriksanlage.
Die japanische Konkurrenz wurde immer stärker und technologisch Fortschrittlicher. Der Niedergang der italienischen Motorradbauer kam langsam und war unvermeidbar. 1988 ging Benelli in die Knie. Der Industritycoon Giancarlo Selci, Inhaber der Biesse-Gruppe, rettete das glorreiche Unternehmen vor dem Untergang und kaufte es am 23. Oktober 1989. Das Unternehmen betrat mit dem Scooty den Markt der Motorroller. Es schien als hätte eine neue Zeit begonnen, aber nach den ersten Zeiten der Euphorie begannen wieder unsichere Zeiten.
1995 kaufte die Merloni-Gruppe die Mehrheitsanteile an der historischen Marke. Vittorio Merloni setzte seinen Sohn Andrea als Leiter des Unternehmens ein. Mit dem aggressiven 491 startete Benelli auf dem boomenden Markt der Sportroller durch. Auch im Bereich der Sportbikes wurden ambitionierte Projekte lanciert: die Tornado 900 mit Dreizylindermotor trat auch in der Superbike-Meisterschaft an, neues Spitzenmodell wurde die TnT 1130. Aber Benelli stand bald vor der nächsten Krise.
Im Dezember 2005 wurde Benelli Teil von Qianjiang, kurz Q.J.. Das Unternehmen aus Wenling beschäftigt 14.000 Mitarbeiter und produziert mehr als 1,2 Millionen Fahrzeuge und über 2 Millionen Motoren pro Jahr in einer supermodernen Fabrik, die mit rund 670.000 m² so groß ist wie eine ganze Stadt und mit modernsten Fertigungsanlagen aus Deutschland, Italien und den USA ausgerüstet ist.
Mit einem Kapital von mehr als 750 Millionen USD ist Q.J. seit 1999 auf dem Chinese Stock Exchange gelistet und produziert auch Quads, Elektrofahrräder, Rasenmäher, Golfcarts, Generatoren, Pumpen und Gartengeräte. 20% der Produktion werden exportiert. Qianjiang hat ein hohes Qualitätsbewusstsein und wurde 1997 nach ISO 9001 zertifiziert.
Mit frischem Kapital und wertvollen Synergien zwischen Italien und China, begann Benelli Q.J., das Unternehmen aus Pesaro neu zu strukturieren und auf dem Weltmarkt neu zu positionieren. 2001 feierte Benelli das 100-Jahr-Jubiläum.